Virtuelle Szenarien erlauben eine multisensorielle Immersion in neue Welten. Wir entfernen uns aus unserer, realen Welt, und versetzen uns digital in einen anderen Kontext, beispielsweise in einen nicht erhaltenen historischen Raum, in eine fremde Kulturlandschaft oder eine historische Rekonstruktion. Gaming und Entertainment sind wichtige Anwendungsbereiche für VR-Technologien. In der Wissenschaft, Museologie und Kultur eröffnen sie neue Präsentationsmöglichkeiten, Simulationsverfahren und Forschungsbereiche mit einem hohen Weiterentwicklungspotential.
Die Nutzung und Konzeption virtueller Realitäten bewegt sich in einem breiten Spektrum zwischen virtueller und realer Welt. Die meisten VR-Anwendungen enthalten Elemente beider Bereiche und lassen diese miteinander verschmelzen. Das Konzeption Extended Reality (XR) greift diese Vermischung als Überbegriff auf.
Der eigenen Wahrnehmung kommt im Erleben virtueller Welten eine zentrale Rolle zu. Der Einsatz der Techniken zielt darauf ab, uns möglichst weit unserer eigenen Realität zu entziehen und in die virtuelle Welt zu versetzen.
Damit dies gelingt, müssen verschiedene Parameter berücksichtigt und zu einem möglichst hohen Grad in das virtuelle Szenario eingebunden werden. Die virtuelle Welt muss möglichst realistisch gestaltet sein und sich dem/der NutzerIn plausibel (d.h. logisch nachvollziehbar und stimmig) präsentieren. Dazu gehört unter Anderem die Möglichkeit, mit Elementen der virtuellen Welt auf eine Weise zu interagieren, die unserer realen Welt nicht widerspricht oder aus einem geschaffenen (Fantasie-)Szenario heraus stimmig erscheint.
Nur wenn weder Gefühl noch logisches Verständnis Eindrücke von Inkohärenzen hervorrufen, wird ein hoher Immersionsgrad erreicht, d.h. der/die NutzerIn fühlt sich sehr stark in die virtuelle Welt eingebettet (während die reale Welt in Wahrnehmung und Gefühl in den Hintergrund tritt). Weiter erhöht werden kann der Immersionsgrad durch eine Einbindung mehrerer Sinne in das virtuelle Erleben im Rahmen von Mixed oder Augmented Realities.
VR-Brillen führen uns dreidimensionale virtuelle Welten vor Augen; mit ihnen verbundene Kopfhörer lassen uns diese auch klanglich erleben. Werden die umgebenden Räume entsprechend ausgestattet, lassen sie sich auch haptisch erleben. Durch die Einbindung mehrerer Sinne wird die Wahrnehmung der virtuellen Welt zu einem multisensoriellen Erlebnis mit hohem Immersionsgrad.
Ein VR-Headset bildet die und zugleich intuitivste Art, virtuelle Welten zu erleben. Ihr Aufsetzen versetzt Sie in einen virtuellen Raum mit Seh- und Höreindrücken und entzieht Sie bzw. Ihre Wahrnehmung der gelebten Alltagswelt. Die Abschottung zweier primärer Sinne von der Umwelt konzentriert Ihre Hauptwahrnehmung auf die virtuelle Welt mit ihren Eindrücken, Stimmungen und Ereignissen. Controller ermöglichen die Interaktion mit virtuellen Gegenständen und Räumen und das Bewegen durch den Raum.
Der Grad des sinnlichen Erlebens der digitalen Welten lässt sich durch die Installation eines Tracking-Systems weiter erhöhen. Im Raum aufgestellte Tracking-Stations verfolgen Ihre Bewegungen während der Nutzung des VR-Headsets und erlauben es Ihnen, den Raum nicht nur virtuell, sondern auch in der Realität zu durchschreiten. Sie sind der erste Schritt in Richtung einer Augmented oder Mixed Reality und damit die Grundlage für ein tiefes Eintauchen in die virtuelle Welt.
Im realen Leben stehen einem sinnlichen Erleben und praktischen Erkunden von Kulturgütern oft konservatorische Bedenken entgegen. Historisch bedeutsame Originale dürfen nicht in die Hand genommen, bewegt oder gar in Experimente eingebunden werden, zu groß ist das Risiko einer ungewollten Beschädigung. Im virtuellen Raum gelten diese Einschränkungen nicht. Die digitalen Zwillinge der Artefakte und Räume dürfen nach belieben berührt, bewegt und anderweitig in Aktionen eingebunden werden. Sie können gedreht werden, um sie von allen Seiten zu betrachten. Sie können auf Knopfdruck durch eine 'Explosion' oder eine bewusste Auswahl in Einzelteile zerlegt werden, um ihren Aufbau zu erkunden. Ihre ursprüngliche Funktion und Gestalt kann als Simulation aktiviert werden. Kulturgüter, kulturelle Artefakte, Räume, Gebäude und Landschaften können im virtuellen Raum nicht nur betrachtet werden - sie werden erlebbar und mit mehreren Sinnen erfahrbar. Sie verbinden sich mit dem/der NutzerIn zu interaktiven Elementen, die Wissensvermittlung und aktive Begeisterung spielerisch miteinander verbinden.
VR-Brillen ermöglichen ein unvergleichbares Eintauchen in virtuelle Welten. Sie bringen jedoch bei vielen Anwendungsformen (gerade in Museen und Ausstellungen) den Nachteil mit sich, dass der/die NutzerIn durch das Headset von der Umgebung 'ausgeschlossen' wird. Das Eintauchen in die virtuelle Welt wird zu einem individuellen Erlebnis - Begleitpersonen sind von ihm ausgeschlossen und müssen warten, bis sie selbst Gelegenheit erhalten, die virtuelle Welt zu erleben.
Eine Desktop-Anwendung der virtuellen Welt kann dieses Problem lösen - als Ergänzung oder Ersatz eines virtuellen Erlebens durch ein VR-Headset. Wartende BesucherInnen erhalten die Möglichkeit, die Eindrücke der/des NutzerIn des VR-Headsets auf einem separat installierten Bildschirm mitzuerleben und im Anschluss selbst nachzuempfinden. Der kollektive Charakter des Kultur Erlebens wird wiederhergestellt. Zugleich ermöglicht eine Desktop-Installation die Einbindung einer VR-Simulation in Führungen, Veranstaltungen und Lehr- und Ausbildungsveranstaltungen mit direktem Austausch mit einem/r Guide.